„The mountains calm me down. Während den letzten Tagen kam ich irgendwie so nahe zu mir, wie ich es noch nie vorher erlebt habe. Mit jedem Schritt, mit jedem Meter, den ich höher steige merke ich, wie viel in ‚Der Weg ist das Ziel‘ denn eigentlich steckt. Es fühlt sich fast so an, als würde mich der Berg auf das Essentiellste runter reduzieren, alles was im alltäglichen Leben in Deutschland so viel Platz einnimmt – vor allem mental – ist hier auf einmal weg. Oder nicht weg, sondern anders eingestuft, anders prioritisiert, weniger präsent. Some things simply don’t matter when you adjust your focus. Und jeder Schritt bringt mich dem näher. Es ist nicht nur ein Blick von oben auf die Welt sondern auch ein anderer auf das, was unser Leben auszumachen scheint. Die Menschen sind mit so wenig zufrieden, wir in Deutschland ersticken im Luxus, in materiellem und auch in „zwischenmenschlichem“ (wenn das denn Sinn macht), mir wird mehr und mehr klar, wie angenehm das Leben ist, wenn man sich auf Minimalismus einlässt. Wir haben alles was wir brauchen auf dem Rücken und in uns und das, was ich vermisse, kann ich an einer Hand abzählen. Das muss sich unbedingt ändern.
In jedem Schritt spüre ich jeden Muskel, jedes Gelenk und jeden Knochen. Ich spüre wie meine Lunge nach Sauerstoff sucht und ich spüre – oh ja – jedes einzelne Gramm des Rucksacks auf meinem Rücken. Ich schaue mich um und der Anblick raubt mir wortwörtlich den Atem. Eine meditative Ruhe macht sich zwischen uns und um uns herum breit. Wir reden kaum, weil jeder so sehr mit sich selbst beschäftigt ist – körperlich und auch mental. ‚Namaste‘ ist das Einzige, was uns über die Lippen kommt, wenn uns andere begegnen. My bare and pure soul honours your soul. Namaste. Yaks und Sherpas verschmelzen mit der Natur, die Glocken der Yaks sind noch kilometerweit zu hören, wenn der Wind richtig steht. Wenn man anderen Trekkern begegnet – man sieht sich nicht. Das ‚Namaste‘ an dieser Stelle ist eher so etwas wie ‚Ich fühle mit dir‘, zwischenmenschliche Kommunikation ‚Ich weiß, wie du dich fühlst. Durchhalten, es lohnt sich‘. Es lohnt sich, wie Recht sie haben.
Keiner hat gesagt, dass das leicht wird. Vielleicht bin ich auch deshalb zwischendurch immer mal wieder den Tränen nahe, laufe mit einem Kloß im Hals. Der Berg zwingt mich dazu, mich mit Dingen auseinanderzusetzen, die das Un(ter)bewusstsein mit Hilfe von viel zu wenig Sauerstoff in Träumen wieder hervorholt – Dinge, mit denen ich mich wahrscheinlich schon vor Wochen, Monaten oder Jahren hätte auseinander setzen müssen. Dinge, von denen ich keine Ahnung haben, wo sie auf einmal herkommen. Und Dinge, die ich schon eine Ewigkeit vor mir herschiebe. Ich spüre, dass sich da was tut. Ich fühle mich unendlich klein. Alles um mich herum räumt mich auf, sortiert aus, entrümpelt alle Gefühle und Gedanken, die sich über die letzten Jahr(zehnt)e angesammelt hat.
Aufräumen, Blickwinkel anpassen, neu fokussieren. Was ist wichtig. Wer tut mir gut. Wen sehe ich in meinem Leben. Was will ich. Ich bin auf das Wesentliche reduziert, ich bin klein und die unverfälschteste Version Laura. Ich verändere mich. Mit jedem Schritt komm ich der Person näher, die ich sein will. I am growing. Ich finde raus, wer ich sein will. Manchmal macht das Angst, weil alles auf einmal so groß ist und ich so klein. Aber da ist auch Mut. Mut, die Dinge anzupacken, sich mit dem Kopf voran ins Leben zu stürzen.“